Cirka 90 Prozent der COPD-Patienten sind Raucher oder ehemalige Raucher

Wer hätte sich noch vor einigen Jahren träumen lassen, dass in Deutschland ein umfassender Schutz vor Tabakrauch in öffentlichen Gebäuden und der Gastronomie Realität wird? Jetzt ist die neue Gesetzgebung in Kraft und allerorten erleben Raucher, dass sie nicht mehr uneingeschränkt zur Zigarette greifen können. Für viele sind Situationen, in denen der Tabakkonsum verboten oder unerwünscht sind, ein wichtiger Impuls, um endlich von den Glimmstängeln loszukommen. Tatsächlich belegen aktuelle Untersuchungen, dass 2 von 3 Rauchern lieber rauchfrei wären.

Freiheit und Genuss... oder doch eine Sucht?

Auch wenn die meisten Raucher es grundheraus ablehnen, die Tabakabhängigkeit als Sucht anzusehen, so wird spätestens beim Versuch ohne Zigaretten durch den Alltag zu kommen klar, dass hinter dem Rauchen mehr steckt als eine lästige Angewohnheit.

Wissenschaftlich ist die Tabakabhängigkeit gut erforscht, die Mechanismen dieser Sucht und die Veränderungen im Stoffwechsel des Gehirns von Rauchern sind bekannt. Dass dennoch so mancher glaubt, Rauchen mache nicht süchtig, lässt sich einfach erklären: Nicht jeder regelmäßige Raucher entwickelt eine ausgeprägte körperliche Abhängigkeit – und diejenigen, die vor allem psychisch abhängig sind, verdrängen die Sucht und beruhigen sich selbst mit scheinbar rationalen Gründen für die nächste Zigarette.

Spätestens, wenn man im Winter zitternde Raucher in der Kälte stehen sieht, ist klar: Freiheit und Genuss sehen anders aus. Es gibt nicht nur den Unterschied zwischen körperlicher und psychischer Sucht, auch die Intensität der Sucht kann verschieden stark ausgeprägt sein: Bei besonders starken Rauchern (mehr als 20 Zigaretten pro Tag) findet sich überdurchschnittlich häufig eine Mutation im Nicotinrezeptor – hierin unterscheiden sie sich deutlich von Menschen, die selten Rauchen oder Nichtrauchern.

Rauchfrei werden – was bringt´s?

„Ich rauche doch schon weniger“ sagt sich so mancher, wenn er an seine gesundheitlichen Probleme denkt. Um direkt zu Beginn mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Die Reduktion des Zigarettenkonsums bringt nichts. Punkt. Einzig für die vollständige Rauchfreiheit sind günstige Effekte nachgewiesen – dafür allerdings auch umso mehr!
Menschen, die an Arteriosklerose, der Verkalkung von Arterien leiden, profitieren deutlich: Weniger Herzinfarkte und weniger Schlaganfälle sind der Lohn für den erfolgreichen Rauchausstieg. Bei Patienten mit COPD, im Volksmund Raucherlunge genannt, verbessert sich nach Beendigung des Tabakkonsums die Lungenfunktion deutlich – dies gelingt so mit keinem Medikament. Selbst für Patienten, die an Lungenkrebs leiden, gibt es gute Nachrichten: Wer rauchfrei ist, verträgt die Therapie besser, erleidet nach chirurgischen Eingriffen weniger Komplikationen und lebt länger.

Ein guter Rat, der keiner ist: „Du musst nur wollen!“

Jeder Raucher kennt das: Kaum beschäftigt man sich mit dem Gedanken „Wie schaffe ich es, rauchfrei zu werden“, da erteilt jemand den Ratschlag, doch einfach vom einen auf den anderen Tag aufzuhören, allein der Wille würde dafür genügen. Auch Ärzte unterliegen diesem Irrtum und tun dabei vor allem den entwöhnungswilligen Rauchern unrecht, die mit der Bitte um Unterstützung den ärztlichen Rat  einholen. Sicher gibt es ihn, den Raucher der nach jahrelangem Tabakkonsum von heute auf morgen die Zigaretten beiseite gelegt hat. Der Erfolg dieser sogenannten Silvestermethode  (viele fassen diesen Entschluss zum Jahreswechsel) ist nur selten von Dauer – nach einem Jahr sind nur 3 Prozent derjenigen, die es auf diesem Weg versuchen, immer noch rauchfrei.

Wirksame Medikamente selbst bezahlen - warum?

Laut § 34 des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V – in diesem werden die Belange der gesetzlichen Krankenkassen geregelt) ist es den gesetzlichen Krankenkassen verboten, Medikamente zu bezahlen, die vor allem der Verbesserung der Lebensqualität dienen. Dazu werden Haarwuchsmittel, Diätpillen, Potenzmittel und auch Medikamente zur Tabakentwöhnung gezählt.

Abgesehen davon, dass die Verbesserung der Lebensqualität bei der Therapie vieler Erkrankungen ein wichtiges Ziel ist, hat die Tatsache, dass therapeutisches Nicotin und andere Wirkstoffe zur Therapie der Tabakabhängigkeit in dieser Liste erscheinen, vor allem politische Gründe. Jahrelang hat es die Tabakindustrie durch beispiellose Propaganda geschafft, Wissenschaft und Politik glauben zu machen, Rauchen sei nichts weiter als der Ausdruck von Freiheit und Genuss. Jeder, der nicht mehr Rauchen wolle, könne einfach damit aufhören, denn süchtig werde man davon keinesfalls.  Diese Behauptungen sind heute durch zahlreiche seriöse Forschungsergebnisse widerlegt!

Die Bundesärztekammer bemüht sich aktuell nach Kräften,  diesem Umstand gerecht zu werden und verlangt, dass den Krankenkassen die Erstattung der Kosten einer Tabakentwöhnung erlaubt werden soll. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (ein Gremium, in dem die Vertreter von Krankenkassen, Krankenhäusern und Ärzten gleichberechtigt wichtige Entscheidungen für das Gesundheitssystem fällen) hat den Bundesgesundheitsminister aufgefordert, das Gesetz entsprechend anzupassen.

Denn den vergleichsweise geringen Kosten für diese Therapie steht ein erheblicher Gewinn gegenüber: Weniger durch Rauchen verursachte Krankheiten entlasten die Krankenkassen deutlich, auch der Arbeitsmarkt profitiert von den geringeren Fehlzeiten rauchfreier Mitarbeiter.

Was wirklich hilft, rauchfrei zu werden

Zunächst einmal sei gesagt, dass es eine einzig wahre Methode für die Tabakentwöhnung nicht gibt.
Zwar liegen für zahlreiche Therapien gute wissenschaftliche Belege über deren Wirksamkeit vor, gleichzeitig ist jedoch auch entscheidend, ob die gewählte Methode zu demjenigen passt, der rauchfrei werden möchte.

Dies gilt insbesondere für Hypnose, Akupunktur und ähnliche Angebote: auch wenn Beweise für die langfristigen Erfolge fehlen, so kann es doch im Einzelfall genau eines dieser Verfahren sein, das zum Erfolg führt. Doch welches sind nun die effektivsten Mittel und Wege, die zur Rauchfreiheit führen?

Kurse und Einzelberatung

Die klassische verhaltenstherapeutische Methode der Tabakentwöhnung besteht aus einem Kurs von drei bis sechs Wochen Dauer, der als Gruppentherapie angelegt ist.

Die Qualität dieser sehr erfolgreichen Kurse wird durch einheitliche Kursinhalte und Kursleiterschulungen sichergestellt. Bei den gesetzlichen Krankenkassen können Anbieter von Kursen erfragt werden, gemäß § 20 SGB V wird ein Teil der Kursgebühr erstattet.

In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde belegt, dass solche Kurse langfristigen Erfolg bringen. Auch die Einzelberatung durch den Arzt ist wirksam. Anders ist dies bei verhaltenstherapeutisch angelegten Maßnahmen, die nur einen Tag dauern (sogenannte Crashkurse).Die Wirksamkeit dieser Interventionen wurde bislang nicht ausreichend wissenschaftlich belegt, eine anteilige Beteiligung der Krankenkasse an den Kosten erfolgt deshalb nicht.

Pflaster, Kaugummi, Tablette und Inhaler: Therapeutisches Nicotin

So verrückt es klingt: Ja, es ist möglich, mit Hilfe von Nicotin Rauchfrei zu werden!  
Dies ist einfach zu erklären. Das Verlangen nach einer Zigarette wird beim regelmäßigen Raucher durch Nikotinmangel erzeugt. Behebt man diesen Mangel durch Gabe von Nicotin, so lässt auch das Verlangen zu Rauchen deutlich nach, es fällt dann leicht, auf die Zigarette zu verzichten.

Macht Nicotinersatz also genau so abhängig wie eine Zigarette?

Nein: Die niedrig dosierte, langsame Aufnahme von Nicotin erzeugt keine Sucht. Süchtig macht erst die Inhalation des Nicotins über die Zigarette, denn so wird eine schnelle Anflutung dieser Substanz im Gehirn erreicht. Ebenso schnell fällt der Nicotinspiegel nach dem Rauchen wieder ab. Beides, der schnelle Anstieg wie auch der rasche Abfall des Nicotinspiegels erzeugt die Sucht.

Der Einsatz des therapeutischen Nicotins kann auf vielfältige Weise erfolgen. Pflaster werden verwendet, um koninuierlich einen niedrigen Nicotinspiegel im Blut zu erreichen. Dies hilft vor allem Rauchern, die regelmäßig zur Zigarette greifen.

Mit Hilfe von Kaugummi, Inhaler oder Tablette kann Nicotin kurzfristig zugeführt werden, der Effekt hält etwa 2 Stunden an. Sowohl Gelegenheitsraucher als auch regelmäßige Raucher, die in bestimmten Situationen (z.B. in der Kneipe oder auf Feiern) mehr rauchen als gewöhnlich, profitieren von dieser Methode.

Die Kombination aus dauerhafter Nikotinzufuhr (über Pflaster) und schnell wirkenden Mitteln (Inhaler, Kaugummi, Tablette) hat in wissenschaftlichen Untersuchungen eine der höchsten Erfolgsquoten bei der Tabakentwöhnung bewiesen.

Tabakentwöhnung ohne Nicotin

Es gibt Medikamente, die speziell für die Raucherentwöhnung entwickelt wurden und die kein Nicotin enthalten. Für diese Arzneimittel ist ebenfalls wissenschaftlich belegt, dass sie die Erfolgsquote bei der Tabakentwöhnung deutlich erhöhen.

Die heute gebräuchlichen Substanzen sind verschreibungspflichtig, müssen also vom Arzt verordnet werden. Denn jedes dieser nützlichen Medikamente birgt auch Risiken, so dass abgewogen werden muss, welcher Wirkstoff zum Einsatz kommen soll.

Für alle Medikamente wie auch für die Therapie mit therapeutischem Nicotin gilt: Es dauert etwa drei Monate, bis der Körper sich an das rauchfreie Leben gewöhnt hat. So lange ist die Anwendung der Wirkstoffe notwendig, um Erfolg zu haben.

Sich wohlfühlen und rauchfrei Leben

Fasst man den heutigen Wissensstand zusammen, so stellt die Verbindung von strukturierten Kursen und medikamentöser Unterstützung den Königsweg dar, um rauchfrei zu werden.

Besonders Menschen, die bereits an durch Tabakkonsum verursachten Krankheiten leiden (COPD, Herzinfarkt, Schlaganfall, Durchblutungsstörungen der Beine) sollten über die schnellen und günstigen Effekte der Rauchfreiheit Bescheid wissen.

Hier ist es wichtig, sich selbst den Gefallen zu tun und offen an das Thema Rauchen heranzugehen – die Möglichkeiten der Unterstützung bei der Tabakentwöhnung sind mannigfaltig! Sie müssen nur eines tun: Entscheiden Sie sich für eine bessere rauchfreie Zukunft!


Dr. Justus de Zeeuw, Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 Petrus-Krankenhaus Wuppertal, (5. Symposium Lunge in Hattingen/NRW).


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